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Prolog

Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Das gilt nicht nur für die eigentliche Reise, sondern auch für das Schreiben dieses Textes. Mehr als zwei Monate sind wir inzwischen schon wieder zurück aus Nepal und immer wieder hab ich mir vorgenommen, einige Eindrücke niederzuschreiben, immer war etwas für eine Ausrede gut: Weihnachten, der Büroumzug, Wetter zum Berggehen und nicht zum Daheimrumsitzen ... Als Bergsteiger sage ich: »Es reicht nicht, wenn man selber bereit ist, auch der Berg muss bereit sein.« Und so war es auch bei mir, schließlich waren ich und auch mein Notebook bereit zum Schreiben.

»Diesmal geht's gen Osten«

Im Frühling 2005, nachdem Wolfgang und ich den Kilimanjaro bestiegen haben, hatten wir die ganz klare Vorstellung, wieder auf einen hohen Berg zu steigen, Südamerika war im Gespräch, Sechstausender mit klingenden Namen gilt es dort zu begehen.

Im Lauf des Sommers haben wir viele Touren gemacht, dann ist es Winter geworden, ein Winter mit viel Schnee, gut für Schitouren. Die Idee Südamerika war bei mir immer ein bisschen im Kopf, aber nicht präsent und irgendwann hatte ich den Eindruck, dass Wolfgang im Jahr 2006 nicht wirklich die Möglichkeit haben wird, längere Zeit Urlaub zu nehmen, um eine größere Tour zu machen.

Ich bin mir jetzt nicht mehr ganz sicher, es muss dann aber wohl zu der Zeit gewesen sein, dass ich den aktuellen Katalog der Grazer Trekking-Agentur Weltweitwandern in die Hände bekommen und ihn mir auch angesehen habe.

»... nette Sachen eigentlich, die da angeboten werden. Sicher cool, ins Everest-Basislager aufzusteigen ...«

Oder: »Durch Westnepal zum Kailash. - Den Unbestiegenen, den Verbotenen zumindest anschauen.

Oder: »Um den Annapurna. Mit Überschreitung des 5415 m hohen Thorong La-Pass.« - »Das ist es!«

Ich hab die Entscheidung für mich dann doch relativ schnell geschlossen, für diese Tour brauche ich gegebenenfalls keinen weiteren Partner, die Touren werden ab zwei Personen durchgeführt und ein weiterer Mitgeher findet sich sicher.

Wie ich dann Wolfgang von der Geschichte erzählt habe, hat ihm die Idee gut gefallen und es war schnell klar, dass er doch wieder mit von der Partie sein wird. Dass seine Freundin nicht mitgehen kann, hat sich leider auch schnell herausgestellt. Und Regina hatte zu der Zeit auch noch nicht die Idee, dass sie dabei sein wird.

Einige Mails mit Weltweitwandern haben grundsätzliche Punkte geklärt und damit hatten wir dann eigentlich alles im Kopf vorbereitet - so schnell geht es, wenn man will.

Dann gab es plötzlich in den Medien Berichte über Nepal: Unruhen, Militär in Kathmandu, vielleicht Bürgerkrieg. »Mist, ausgerechnet, wenn wir runter wollen ...« Unser Ansprechpartner bei Weltweitwandern, Robert Wolf, stellt klar: »Nach Nepal fahren ist nicht so, wie nach Deutschland fahren.« Er sagt aber auch »... unsere Leute in Nepal meinen, dass es bald vorbei sein wird.«

Und so ist es auch. Zeit zu buchen. Neues Problem: Flüge nach Kathmandu sind Mangelware. Gut, also bei mehreren Linien auf die Warteliste, irgendein Flug wird schon freie Plätze haben. »Robert Wolf wird es schon wissen.« - »Hoffentlich!«

Es folgt ein Bergsommer in Österreich. Viele Touren, weite Touren, schöne Touren. Weit weg von Nepal, auch in einer tollen Gegend: bei uns. Der Hüttenwirt der Voisthalerhütte hat vor einigen Jahren zu uns gesagt: »Er versteht nicht, warum die Leute nach Nepal fahren.« Irgendwie hat er Recht.

Dann ist es wieder so, wie so oft: eine ganze Zeit lang passiert nichts, dann plötzlich ist der Termin nah. Vieles hat sich geklärt: Flug bestätigt, Regina fährt trotz eines kleinen Problems mit ihrer Hüfte mit (»... wenn es schlimmer wird, kann ich immer noch in Kathmandu bleiben«) und vieles ist noch vorzubereiten.

Flug

7. November 2006: Wien - Doha mit der Quatar-Airline. Viel Platz, gutes Service. Fünf Stunden im Flugzeug kann man leicht aushalten, dann Aufenthalt in Doha, ein typischer Flughafen, allerdings sieht man beim Fenster hinaus in die arabische Wüste. Nach einem Aufenthalt von ungefähr drei Stunden geht es weiter nach Kathmandu. Die A300 ist voll bis auf den letzten Platz, offensichtlich auch einige Trekker, aber hauptsächlich Nepali, wie wir später erfahren, Gastarbeiter in Arabien.

Anflug auf Kathmandu. »Da sieht's ein bisschen aus wie bei uns.« »Bei uns in wo?«

Dann landen wir. »Jetzt sind wir also da.« Sozusagen an der Quelle. »Hoffentlich ist das Gepäck auch da!« - Ist es. Die Einreiseformalitäten - diese bestehen hauptsächlich im Bezahlen von 30 Euro - sind schnell durchgeführt. Abgemacht ist, dass wir abgeholt werden »... hat ja auch in Afrika geklappt.«

Am Eingang werden wir dann tatsächlich von zwei Männern mit einem Weltweitwandern-Schild erwartet. »Funktioniert also.« Es warten aber auch Scharen von jungen Männern, die sich als Träger anbieten, wir wollen unsere Sachen aber selber tragen bzw. schieben, sie lassen aber nicht locker und schieben mit. Beim Kleinbus gebe ich einem der »Hilfsträger« 50 Cent, er sagt: »Paper!« »Sehr witzig, um 'Paper' trage ich das Gepäck von uns dreien.«

Kathmandu

Der Kleinbus bringt uns zu einem Hotel im Touristenviertel Thamel. Erste Eindrücke kann man gut aus dem Bus gewinnen und sie sind, wie in vielen dieser so genannten Dritte-Welt-Länder: besonders schlechte Luft, Müll, Verkehr, Unmengen von Menschen auf der Straße, laut - und hier doch unerwartet: keine hohen Berge.

Das Hotel ist in Ordnung, mit Dusche und WC, mehr Luxus, als die meisten Nepali haben - und wie wir später erfahren, für nepalesische Verhältnisse auch unverschämt teuer, 25 Euro, mehr als der Durchschnittsverdienst eines Mannes im Monat.

Am Abend treffen wir uns zum Essen mit Hari, dem Manager von Trekking Team LTD., der lokalen Agentur, die uns hier betreuen wird. Hari will uns über den Ablauf der Tour unterrichten. Davor bleibt ein bisschen Zeit, um ein paar erste Schritte in Kathmandu zu machen - im Touristen-Kathmandu. Dichtes Gedränge, ein paar Mal werde ich von Einheimischen angesprochen (»Like something to smoke?«), überall Geschäfte, die Expeditionsausrüstung alle Art - vom Anorak bis zum Zelt anbieten, zu schier unglaublich günstigen Preisen. »Eine Northface-Daunenjacke um 30 US$?« »Kann wohl nicht sein, oder?« Doch, ist so. Um das Geld für die Berghose, die ich mir kurz davor in Graz gekauft habe, könnte ich hier fünf davon kaufen.

Zum Abendessen gibt es Dal Bhat, das Standard-Essen der Einheimischen, allerdings wird es in diesem Lokal wohl in der verfeinerten Version dargeboten und entspricht nur im Ansatz dem, was uns unterwegs erwarten wird.

Aber es ist gut: scharf, bekömmlich, fleischlos. »Esst lieber kein Fleisch!«, so lautete der Tipp von Hari. Bei einem anschließenden Verdauungsbummel durch die Straßen, vorbei auch an Fleischerläden, wissen wir, warum er es gesagt hat: die hygienischen Bedingungen entsprechen nicht gerade der europäischen Norm, die Fleisch-Hackstöcke sehen aus, als wären sie schon vom Vater des Vater des jetzigen Metzgers aufgestellt und nie mehr gereinigt worden, außerdem gibt es hier keinerlei Kühleinrichtungen. Die Einheimischen scheint es aber nicht weiter zu stören.

Am nächsten Tag ist Sightseeing angesagt, ich würde eigentlich lieber »rauf«, aber wenn man schon mal da ist...

Unser Guide holt uns in der Früh ab, ich bin grundsätzlich kein Fan von solchen »Ganz-Irgendwas-in-drei-Stunden-Geschichten«, er macht aber einen guten Job, gibt uns viele Infos und zeigt uns die interessantesten Orte der Stadt

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Der (buddhistische) Stupa von Bodanath.

Von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.

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Am Hauptplatz von Patan.

Eine für unsere Augen doch völlig ungewohnte Szene spielt sich am Fluss Bagmati ab:

Dort nämlich werden Tote verbrannt. Unser Guide erklärt uns den Ablauf: wenn ein Hindu stirbt, geschieht noch am selben Tag folgendes: sein Sohn besorgt das Holz, dieses wird auf den vorbereiteten Sockeln aufgestapelt, der Verstorbene daraufgelegt und verbrannt. Die Überreste werden dem heiligen Fluss übergeben - der Fluss, der so verschmutzt ist, dass ich keinen Finger reinhalten würde. Das Wasser führt die Asche ins Meer und dieses führt den Verstorbenen letztendlich nach oben.

Beißender Geruch - mehr nach Holz als nach dem Vermeintlichen - liegt in der Luft und 100 m weiter flussabwärts sieht man im selben Fluss Frauen beim Wäschewaschen und Kinder beim Baden.

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Hinduistische Totenverbrennung am heiligen Fluss Bagmati.

Ummi (hinüber) ...

Am nächsten Morgen warten schon einige Leute vor dem Hotel auf uns: Hari, um uns zu verabschieden, ein Fahrer, der uns Richtung Annapurna bringen wird und sein Assistent, ein Mann, von dem wir nicht wissen, was er macht, zwei Träger (»Zwei für drei?«) und unser Guide. Noch sind sie für uns alle namenlos, das wird sich im Lauf der nächsten zwei Wochen aber ändern.

Dann brechen wir auf, ungefähr ein halber Tag Autofahrt erwartet uns. »Ein halber Tag für 120 km?« »Wird schon nicht so sein.« Ist es dann aber doch.

Von Kathmandu fahren wir Richtung Westen, entlang der Hauptverbindungsstraße nach Indien, ein LKW nach dem anderen bringt seine Waren über die kurvenreiche Straße in die Hauptstadt, lustig anzusehen - weil durchwegs bunt angemalt oder geschmückt - sind sie ja, die Wagen vom Type Tada und alle sind gedrosselt, wie unser Guide Basu zu erzählen weiß, » ... weil sie sonst alle zu schnell fahren würden und viel mehr Unfälle passieren würden.«

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Tada.

Wir machen eine Mittagspause in einem kleinen Lokal am Straßenrand, es gibt Dal Bhat und Wasser. Dieses Dal Bhat nun sieht tatsächlich so aus, wie es die Einheimischen täglich zu sich nehmen: viel Reis, dazu eine kleine Schale Linsensuppe (Dal) und dazu dann ein bisschen gekochtes Gemüse, diesmal wohl eine Art Spinat und Pickles - eingelegtes, sehr scharfes Gemüse, serviert auf einfachen Blechtellern mit mehreren Unterteilungen. Mir schmeckt es heute nicht so. »Das Wasser solltet ihr besser auch nicht trinken« meint Basu. - »Fängt ja gut an«, denke ich mir, während ich unsere Träger beobachte, die in der Zwischenzeit soviel Reis gegessen haben, wie ich das letzte Jahr wohl nicht in Graz.

Weiter geht's im Kleinbus, die Straße wird schmäler, die Gegend hügeliger, wir haben den Eindruck, dass unser Fahrer immer schneller wird, teilweise fährt er an Menschengruppen so schnell vorbei, dass diese fast zur Seite springen müssen. Keine Ahnung, warum er so rast, wahrscheinlich, weil er heute noch zurück nach Kathmandu fahren muss. Irgendwann steigt jener Mann aus, der seit Kathmandu mit im Wagen sitzt. »Aha, der hat also nur eine Mitfahrgelegenheit gebraucht.«

Schließlich kommen wir in Besisahar an, dem Endpunkt unserer Autofahrt und dem Ausgangspunkt der Annapurna-Umrundung.

Der Ort ist größer, als ich mir eigentlich gedacht habe, in der Hauptsaison, die inzwischen schon vorbei ist, sollen sich von hier um die 200 Leute pro Tag auf den Weg um die Annapurnagruppe machen. Jetzt, in der Nachsaison, sieht man nur wenige Trekker.

Das Hotel, in dem wir untergebracht werden, entspricht mehr meiner Vorstellung von Nepal: sehr einfach, ganz kleine Zimmer mit zwei schmalen Betten und ansonsten eigentlich nichts, die Betten zwar mit Bettwäsche, diese scheint aber nicht ganz frisch zu sein, macht aber nichts, der Schlafsack ist mit dabei. Von einer Dachterrasse aus sieht man Richtung Nordwest schneebedeckte Berge. »Der Annapurna?« frage ich Basu, er lächelt nur, die Sechstausender - höher als alles, was es in Europa gibt - die man hier sieht, haben nicht einmal einen Namen.

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Blick von Besisahar Richtung NW - namenlose Sechstausender.

Bei einem Spaziergang durch Besisahar weckt ein Motorrad unsere Aufmerksamkeit: dieses transportiert lebende, an den Füßen zusammen gebunden Hühner.

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Frischhuhntransport.

Beim Abendessen sind wir dann etwas überrascht: es gibt eine richtige kleine Speisekarte mit vielen nepalesischen Gerichten. Ein kleiner Fernseher läuft, mit irgendeiner der Produktionen aus Bollywood, Basu erzählt, dass sich auch in Kathmandu eine kleine Filmindustrie entwickelt, »Kollywood« nennt er es.

Immer wieder fällt der Strom aus, das stört aber niemanden weiter, Kerzen stehen überall bereit, und irgendwann kommt er wieder und die paar Anwesenden sehen sich weiter den Film an. Offensichtlich macht es nichts, wenn man eine halbe Stunde versäumt. Ich habe sogar den Eindruck, dass inzwischen schon ein völlig anderer Film läuft.

An der Decke krabbelt ein Kakerlak, ich kann mich nicht erinnern, je einen live gesehen zu haben. »Ganz schöner Oschie«, ist der lapidare Kommentar von Wolfgang.

... und auffi (und hinauf) ...

Um die Idee zu geben, wo wir uns überhaupt befinden, hier zwei Überblickskarten:

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Der Annapurna-Trek, wir gehen gegen den Uhrzeigersinn.

In der Detailkarte ist der Weg um die Annapurna-Gruppe gut zu sehen, zum Vergrößern bitte anklicken:

Zum Vergrößern anklicken
Der Annapurna-Trek.

Besisahar ist wohl, was man bei uns eine Bezirksstadt nennt. Wir befinden und auf ca. 750 m Seehöhe, hier endet die Straße aus Kathmandu, ein öffentlicher Bus fährt noch bis in die nächste Siedlung, aber wir gehen ab nun, 270 Kilometer liegen vor uns. Mit Basu haben wir ausgemacht, gegen 8:30 Uhr zu starten, die Träger haben unser Gepäck, drei Taschen, zu zwei Paketen zusammengebunden, einer trägt also zwei Taschen, der andere nur eine und ihr eigenes Minigepäck. Sie werden sich aber unterwegs abwechseln. Das Gewichtslimit unserer Gepäckstücke wurde mit 12,5 kg angegeben, dies erschien uns zuerst etwas wenig, wir sind dann aber gut damit ausgekommen. Grundsätzlich tragen die nepalesische Männer maximal 30 Kilogramm, bei Expeditionen aber auch das Doppelte, im Wissen, dass das Gewicht im Lauf der Tour geringer wird und dass es dafür dann deutlich mehr Lohn gibt.

Los geht es also. Ich bin gespannt, welches Tempo die Träger vorlegen werden, in Afrika war es so, dass sie deutlich schneller gegangen sind als wir und wir sie erst wieder am Abend gesehen haben. Hier ist es offensichtlich anders, unsere beiden Träger haben es deutlich weniger eilig, schon nach ungefähr 500 m legen sie eine kleine Pause ein, um auf uns - wir machen schon die ersten Landschaftsfotos - zu warten, Basu sagt, dass wir die ganze Zeit zusammen gehen werden.

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»Los geht es also.«

Vom Ort weg gehen wir auf einem groben Weg, eher ein Forstweg als eine Straße, wir werden nun die nächsten 120 km immer entlang vom Fluss gehen, der hier auf der rechten Seite gleich neben der Straße fließt.

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Der Fluss wird uns in den kommenden Tagen begleiten.

Einmal noch kommt uns ein Bus entgegen, wie üblich sehr gut belegt, dass es am Dach bei dieser holprigen Straße allerdings wirklich bequem ist, kann ich mir nicht vorstellen. In den nächsten zwei Wochen werden wir kein weiteres Kraftfahrzeug mehr sehen.

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Obere Reihe, dachfrei.

Nun aber endet die Straße wirklich, wir gehen über die erste Nepalbrücke. Diese sind sehr stabil und schaukeln kaum, das Geländer ist zudem auch angenehm hoch, sodass man nicht den Eindruck hat, auf allen Vieren gehen zu müssen, um nicht in den Fluss zu fallen. Und im Lauf der Tour werden wir über Brücken mit beachtlichen Höhen und Spannweiten bis zu 150 m gehen.

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Mulis haben Vorrang.

Von hier an wird alles entweder von Menschen oder von Tragtieren in das Tal hinein oder aus dem Tal heraus transportiert, für europäische Verhältnisse, wo zu jedem Kleingeschäft ein LKW die Waren liefert, schwer vorstellbar.

Das Klima ist subtropisch, das Wetter ist ausgezeichnet, sehr warm, und ich bin froh, als Basu mir sagt, dass es kein Problem ist, wenn ich meine Hosenbeine abzippe. Ich hatte etwas Skrupel, weil ich in einem Reiseführer gelesen hatte, dass sich kurze Hosen nicht schicken - das gilt allerdings nur für Frauen, nur Regina muss also »lang« weitergehen, Wolfgang und ich wechseln auf kurz. Immer wieder befrage ich Basu, ob der eben vor uns erschienene Berg einer der Achttausender ist, was er aber beharrlich verneint, er nennt es dann einfach immer wie z. B. im folgenden Bild »Manaslu-Range«.

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Wolfgang, Regina, Basu, im Hintergrund die »Manaslu-Range«

Basu spricht gutes Englisch, und er kennt sich offensichtlich auch gut aus, alle Fragen kann er uns beantworten. Dreimal im Jahr geht er diese Runde, immer zusammen mit Krishna und Ganesh, unseren zwei Trägern, sie sind ein eingespieltes Team. Und mit dem Lohn für drei Umrundungen können sie und ihre Familien in Nepal ein Jahr lang leben.

Das ganze Gebiet, in dem wir uns bewegen, wurde vor einigen Jahren zu einem Nationalpark erklärt, einerseits um die Natur zu schützen, andererseits aber auch, um entsprechende Infrastruktur zu schaffen und den im Gebiet lebenden Menschen ein geregeltes Einkommen zu bieten.

Im kleinen Ort Ngadi machen wir eine Mittagspause, es gibt ab nun eine gewissermaßen normierte Speisekarte mit vielen Gerichten und es wird immer alles frisch zubereitet. Nachdem diese erste Etappe mit ca. fünf Gehstunden angegeben ist, haben wir viel Zeit und machen wir in der warmen Sonne eine eineinhalbstündige Mittagspause, wir gönnen uns hier auch noch ein Cola, im Wissen, dass irgendjemand die Flasche herauf getragen hat. Bier würde es auch noch geben, aber erstens ist Mittag und zweiten wollen wir uns ein solches erst wieder hinterm Pass gönnen.

Am Nachmittag gehen wir noch ca. zwei Stunden, fast immer vorbei an angelegten Terrassen, auf denen Reis angebaut wird.

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Reisanbau auf händisch angelegten Terrassen.

Gegen Ende der Etappe geht es steil hinauf und wir erreichen Bahundanda, wo uns zu unserer freudigen Überraschung eine warme Dusche erwartet. Die Zimmer im Teahouse, in dem wir übernachten, sind winzig und hellhörig, Regina aber sagt » ... besser als im Zelt.«

Nachdem es ja eigentlich immer die gleiche Speisekarte gibt, kann ich hier generell ein bisschen was dazu sagen: es wird immer alles frisch zubereitet und man kann auch jederzeit alles bestellen, manche der Dinge eignen sich aber natürlich besser für ein Frühstück, andere besser für das Mittag- oder Abendessen.

In der Früh gibt es Porridge, Tibetean bread (etwas schwer zu beschreiben, ein bisschen so wie bei uns die Krapfen, allerdings nicht ganz so süß), Pancake mit frischen Früchten, und diverse Omeletts. Deliziös teilweise, wobei wir, je weiter wir taleinwärts gegangen sind, gemerkt haben, dass z. B. beim Pancake mit dem Zucker immer ein bisschen mehr gespart wurde (muss ja reingetragen werden) und dass sie dadurch ein bisschen weniger Geschmack hatten. Man könnte also sagen, dass man über das Frühstück auf seine geografische Lage im Tal schließen kann.

Zu unserem Standardgetränk wurde eigentlich schon in Kathmandu der Masala-Tee, schwarzer Tee in einer Mischung aus Milch und Wasser gekocht und dann mit Gewürzen angereichert und gesüßt. Schmeckt durch die unterschiedlich stark verwendeten Gewürze immer anders, besonders interessant wird er durch Beimengung von Ingwer und Pfeffer.

Mittag und Abend war dann eher die Zeit für Dal Bhat, Momos (gefüllte Teigtäschchen), Gemüsesuppen und Curry-Variationen, diese haben sich, durch die unterschiedlichen Gemüsearten und Zubereitungsvarianten, zusammen mit Reis zu meinem bevorzugten Gericht entwickelt, sehr wohlschmeckend und sehr bekömmlich, und mit zunehmender Dauer hat sich auch mein Mut bezüglich des Schärfegrades gesteigert (»... wenn ich schon nicht vom Gehen ins Schwitzen komme, dann wenigstens so ...«)

Apropos Bekömmlichkeit: wir wurden in Europa vorgewarnt, mit dem Essen aufzupassen, dieses könne einem den Nepalaufenthalt gehörig verderben. Wir hatten überhaupt keine Probleme, wahrscheinlich, weil wir drei auf den Rat von Hari gehört und gar kein Fleisch gegessen haben. Ganz im Gegenteil: als wir zurückgekommen sind, hatten wir alle Probleme mit dem österreichischen Essen - unsere Mägen haben die schwerere Kost nicht mehr gut vertragen.

Und ein bisschen habe ich es mir dann auch zu Herzen genommen: Curry steht seither zumindest einmal pro Woche auf meinem Speiseplan und Reis habe ich jetzt in diesen zwei Monaten mehr gegessen, als in den 20 Jahren, die ich in Graz lebe.

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Unser Team (Basu, Ganesh, Krishna) beim Frühstück in Bahundanda.

Weiter führt uns unser Weg entlang des Flusses, zuerst 200 Höhenmeter abwärts, dann mit mäßiger Steigung wieder bergauf, die Schlucht wir enger, der Weg läuft oft hoch über dem Fluss, immer wieder kommen uns Mulikarawanen entgegen. Die Treiber gehen oft nicht sehr zimperlich mit den Tieren um, ich habe den Eindruck, dass es Basu etwas unangenehm ist, wenn sie faustgroße Steine nach den Mulis schleudern und einmal kann ich auch sehen, wie er einen Treiber offensichtlich darauf anspricht. Basu hat sich sicher mehr Gedanken zum Leben im Nationalpark, dem Umgang mit der Natur und damit auch den Tieren gemacht, als der Treiber.

Basu hat uns auch schon am ersten Tag darauf hingewiesen, dass wir wahrscheinlich unterwegs auf Maoisten treffen werden, die von uns sozusagen als Revolutionsunterstützung ein Weggeld verlangen werden und wir haben davon auch schon bei unseren Vorbereitungen gelesen, diese ca. 100 US$ muss man sozusagen in die Reisekosten einberechnen. Eigentlich ist es von der Regierung verboten, aber Kathmandu ist weit weg und mit irgendwelchen mit Patronengurten und bis zu den Zähnen bewaffneten Freischärlern zu diskutieren, würde mir sicher nicht einmal im Traum einfallen.

So ist zumindest meine Vorstellung. In der Realität treffen wir tatsächlich an diesem Tag auf die Maoisten, diese sitzen in einem Zelt neben dem Weg, und man könnte sie fast übersehen, sie sind freundlich, gewähren ohne Verhandlungen einen ordentlichen Nachlass und stellen auch eine Quittung aus; diese könne man vorzeigen, falls man noch einmal auf eine Gruppe von ihnen stoßen sollte und sie werden dann nicht noch einmal kassieren. Wir zahlen ihnen also den »Beitrag zur Unterstützung ihrer Idee«, wissen aber, dass davon letztendlich doch Waffen gekauft werden.

Gegen 15:15 Uhr kommen wir am Etappenziel Chamje in 1430 m Höhe an, im kleinen Teahouse sitzt eine Gruppe Österreicher, diese machen die Manaslu-Umrundung in die Gegenrichtung, müssen aber heute noch ein Stück gehen und können so nur ein Bier trinken; sie machen aber den Eindruck, dass ihnen ein weiteres gut geschmeckt hätte.

Einige der Leute, die am selben Tag wie wir in Besisahar weggegangen sind, trifft man am Abend in den kleinen Etappenorten immer wieder, auch die Führer kennen sich untereinander, und so entstehen dann leichte Kontakte.

Auch am nächsten Tag folgen wir dem Fluss, immer wieder die Seite wechselnd über die faszinierenden Nepalbrücken. Der Weg geht immer wieder rauf und dann wieder runter, dadurch kommt kein echter Höhengewinn zustande. Nach einer kurzen Steigung durch eine kleine Siedlung wird das Flussbett ganz breit und füllt das Tal völlig aus.

In der Karte sind dann Marihuana-Plantagen eingezeichnet und wir kommen an denen auch tatsächlich vorbei. Basu erklärt uns, dass diese sozusagen halbwild wachsen, lokale Konsumenten scheint es aber zu geben.

Trotz des prächtigen Wetters ist die Stimmung bei uns etwas gedrückt: Wolfgang wird eine Verkühlung nicht los, die er schon aus Österreich mitgebracht hat und er hat ein bisschen Angst, dass diese tiefer rutschen könnte: derzeit ist der Weg noch kein Problem, wenn wir allerdings höher raufkommen, könnte es problematisch werden. Und auch Regina spürt durch das dauernde Gehen ihre Hüfte. Insgesamt ist wohl allen etwas unklar, wie es weitergehen wird, es gibt keine Fallback, je weiter wir ins Tal reingehen, umso weiter müssen wir, wenn wir umkehren würden, auch wieder rausgehen.

Wir kommen zur Abzweigung, wo es Richtung Norden zur Manaslu-Umrundung weitergeht, bei dieser gibt es ab hier keine Teahouses mehr, will man diesen Weg gehen braucht man Zelte und Träger, die die Verpflegung transportieren. Ich könnte mir vorstellen, dass zur Hauptsaison, wenn dann viele Trekker unterwegs sind, manch einer schon sehnsüchtig daran gedacht hat, sich aus dem Annapurna-Strom in Richtung Manaslu zu lösen.

Und hier, mitten im Nichts, erregt eine Baustelle unsere Aufmerksamkeit: ein Straße wird gebaut.

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Straßenbau ohne Maschinen.

Warum damit genau hier begonnen wird, einige Fußtagesmarsch-Etappen vom nächsten Straßenanschluss entfernt, weiß auch Basu nicht, offensichtlich eher eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die Arbeiten geschehen ohne Maschinen, die Arbeiter schlagen mit Eisenstangen Sprenglöcher, ein Mann arbeitet an einem 30 cm Loch einen ganzen Tag.

Zwei Kilometer weiter gehen wir um eine Linkskurve und wir haben einen ersten Blick auf einen der Annapurna-Hauptgipfel, den Annapurna II mit 7939 m Höhe.

Wir befinden uns hier in Bagarchhap erst auf 2160 m Höhe, es ist aber inzwischen deutlich kühler. Die warme Dusche macht hier keinen wirklichen Spaß mehr, aber aus dem Schlafsack im Zimmer hat man Blick auf den Annapurna II, hat auch etwas.

In der Früh hat es dann nur zehn Grad im Zimmer, die Schlucht ist hier tief und die Sonne hat den Talboden noch nicht erreicht.

Wolfgangs Zustand hat sich verschlechtert, und für sich selber hat er wohl schon beschlossen, noch eine Etappe mitzugehen und dann umzukehren. »Nicht um jeden Preis ...«

Der Weg führt uns immer wieder an Gebetsmühlen vorbei, an diesen geht man links entlang, um sie mit der rechten Hand zu drehen. Auf ihnen steht immer derselbe Text geschrieben, »Om mani padme hum«. »Om« ist die heilige (aber bedeutungslose) Silbe (Mantra) des Hinduismus und Buddhismus. »mani padme« wird als »Edelstein im Lotus« gedeutet. Diese Silben sind allgegenwärtig, auf Mauern, auf Steinen und auch in den Teahouses aus Kassettenrekordern.

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Gebetsmühlen sind hier allgegenwärtig.

Der Weg führt uns weiter sehr steil auf eine almähnliche Hochfläche, und von dort bietet sich ein unglaublicher Blick auf den 8163 m hohen Manaslu - den ersten Achttausender, den ich in meinem Leben sehe - überwältigend!

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Manaslu (8163m).

(Im Nachhinein glaube ich auch, dass dieser Anblick der erste Beitrag zur Besserung der Verfassung von Wolfgang war.)

Das Etappenziel dieses Tages ist Chame auf 2750 m.

Am nächsten Tag in der Früh beim Rasieren im Freien mit drei Grad kaltem Wasser habe ich beschlossen, dieses einzustellen, bis wir wieder in wärmere Gefilde kommen.

Der Weg wird wieder steiler, irgendwann überschreiten wir die 3000 m-Marke, sehr kalter Wind kommt auf, dieser hört aber doch wieder auf. Unterwegs, mitten im Wald, sitzt in einem Zelt eine Frau, bei der es für uns einen Tee und für die Träger auch eine Kleinigkeit zu essen gibt.

Und die folgende Mittagspause können wir bei Windstille in der warmen Sonne verbringen.

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Wolfgang, Dietmar, Regina, Krishna, Ganesh, Basu.

(c) Regina

Nach nur einer weiteren Stunde - insgesamt wieder einer sehr kurzen Etappe - erreichen wir Lower Pisang, den Etappenort auf 3200 m Höhe, wir machen dann allerdings noch einen Spaziergang zu einem Kloster in Upper-Pisang: von hier hat man einen tollen Ausblick auf den Annapurna II.

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Annapurna II (gut erkennbar die Aufstiegsroute über den Grat - wenn man aufsteigen würde).

Von Lower Pisang wäre auch ein Gipfel möglich, in vier Tagen auf den 6092 m hohen Pisang-Peak. Wolfgang und ich lassen uns dazu ausführlich von Basu berichten - man weiß ja nie...

In der Nacht war es dann ziemlich kalt im Zimmer, Regina hat sich auch ein bisschen verkühlt, aber ihrer Hüfte geht es wieder ganz gut. Und auch Wolfgang hat sich weitestgehend gefangen und für uns ist das Weitergehen ab hier kein Problem mehr.

Das Etappenziel ist Manang, der Hauptort der Gegend. Die Landschaft wird immer schöner und beeindruckender, man steht genau vor Annapurna II, III und IV und auch das Wetter ist weiterhin stabil, nur die Etappen werden kürzer, fast zu kurz.

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Annapurna III.

In Manang machen wir einen Ruhetag, wir sind in einem Teahouse untergebracht, das eigentlich schon ein Hotel ist: heiße (nicht warme) Duschen und sogar ein WC im Zimmer. Purer Luxus, unerwartet in 3500  Höhe.

Trotz des Ruhetags beschließen wir, zwecks Höhenanpassung ein Stück nach oben zu gehen: 500 Höhenmeter weiter oben nämlich wohnt in einer Grotte ein spiritueller Lehrer: ein Lama; zu ihm kann man eine kleine Wanderung machen.

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Manang. Mitten in der Felswand, auf ziemlich genau 4000 m wohnt der Lama.

In seiner Grotte mit Ganzjahresblick auf den Annapurna III, erzählt uns der 91-jährige Mann, dass er und seine Frau schon über 40 Jahre hier leben, eine Quelle entspringt direkt vor der Tür und zu essen bringt ihnen die Bevölkerung von Manang. Er gibt uns seinen Segen für die Überschreitung des Passes, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er diese Service mit 100 Rupien berechnen muss. Wir geben ihm diese natürlich gerne.

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Der 91-jährige Lama (links im Bild :-)

Ich gehe am Nachmittag dann noch auf der anderen Talseite Richtung Annapurna III, bis ziemlich genau 4000 m, ist ein tolles Erlebnis, ich habe das Gefühl, schon direkt im Berg zu sein.

Der nächste Tag führt uns weiter hinauf, die Vegetation wird in dieser Höhe nun deutlich weniger, die Baumgrenze liegt weit unter uns und es wachsen nur mehr Sträucher. Das Etappenziel dieses Tages liegt auf 4200 m, wir gehen trotzdem zwecks Akklimatisierung noch weiter bis 4600 m. Zurück in der Hütte machen wir eine Katzenwäsche mit einem Eimer warmen Wassers. Ist in dieser Höhe nicht mehr sehr einladend.

In der Nacht ist es kalt, knapp über null Grad im Zimmer, für unsere Schlafsäcke aber kein Problem, beim Rauskriechen und Anziehen muss man eben schnell sein ... nach Sonnenaufgang wird es aber auch in dieser Höhe wieder deutlich wärmer.

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Prächtiges Wetter.

Am folgenden Tag gehen wir nur zwei Stunden, um zum Etappenziel zu kommen, und dieses Ziel, das Base-Camp auf 4540 m, ist das letzte vor der Überschreitung des Passes. Während der zwei Stunden weht aber ein starker, kalter Wind, sodass wir uns dann im Base-Camp eine Stunde zum Aufwärmen in den Schlafsack legen. Sehr entspannend.

Am Nachmittag weht weniger Wind und wir gehen dann noch bis zum High-Camp auf 4900 m.

Zurück im Base-Camp gibt's noch ein Abendessen, zum gemütlichen Sitzen ist es hier aber zu kalt und so ziehen wir uns früh zurück - auch im Hinblick auf den nächsten Tag, der - langen - Königsetappe, der Überschreitung des Passes.

Die Nacht ist so, wie wir die Nächte in diesen Höhen auch aus Afrika in Erinnerung haben: unruhig, mit wenig Schlaf, wieder das Gefühl, gar nicht geschlafen zu haben.

Um vier Uhr stehen wir auf, Basu meinte, wir sollten gegen Fünf weggehen, in der Früh gibt es am wenigsten Wind. Und so ist es auch: es ist windstill und es auch nicht sehr kalt. Nur bis zum High-Camp brauchen wir die Stirnlampen, dann geht die Sonne auf.

Wolfgang und ich wussten, dass uns diese Höhe keine Probleme bereiten wird, Regina allerdings ist zum ersten Mal so weit oben und zu ihrem Schnupfen kommt auch noch ein erstes Anzeichen von Höhenproblemen dazu: Übelkeit.

Auf 5100 m machen wir noch eine kurze Pause in einem kleinen Teahouse, der heiße Tee tut uns allen gut.

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Heißer Tee auf 5100 m.

Der Weg wird wieder steiler, wichtig in dieser Höhe ist, dass man ganz langsam und gleichmäßig geht.

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In 5000 m Höhe wachsen nur mehr Steine.

Basu hat Recht behalten, es ist windstill und besser kann das Wetter gar nicht mehr sein:

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Hier ist der Weg das Ziel.

(c) Wolfgang

Ziemlich genau um 9 Uhr, also nach vier Gehstunden, sind wir dann am Pass, am Thorong-La, mit 5416 m der höchste Pass der Welt.

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Thorong-La. Unser Gipfel.

Ein tolles Gefühl, hier zu ein und ein tolles Erlebnis, dass es wieder alle geschafft haben.

Ein paar Fotos, ein bisschen die Aussicht genießen und dann machen wir uns wieder auf den Weitermarsch, die Etappe ist noch nicht aus, es müssen noch 1600 m Abstieg bewältigt werden (ich denke dann immer an einen Hochgebirgs-Ausbilder beim Militär, der gesagt hat »... oben warst du erst, wenn du wieder unten bist.« - ein wichtiger Grundsatz am Berg!).

... und obi (und hinunter)

Der lange Weg nach unten zieht sich ziemlich. Eine Stunde vor dem Ziel kommen wir wieder bei einem Teahouse vorbei, diese Pause haben wir uns verdient, inzwischen sind wir tief genug, dass es wieder warm ist, ich kann also die Hosenbeine abzippen. Nach einer weiteren Gehstunde erreichen wir schließlich Muktinath. Kurz vor dem Ort haben wir eine Traumaussicht auf den Dhaulagiri, den zweiten Achttausender, den wir auf unserer Runde zu sehen bekommen.

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Dhaulagiri.

Muktinath gilt als das größte Heiligtum von Buddhisten und Hinduisten zugleich und in der Früh sehen wir uns auch das große Kloster an, das zu sehen die Menschen aus Indien bereit sind, hierher zu pilgern.

Unser Weg führt uns am nächsten Tag aber weg von Muktinath, vorbei an einer tiefen Schlucht, die die natürliche Grenze zum verbotenen Königreich Mustang bildet.

Und der Blick zurück zeigt ein letztes Mal den Pass, den wir am Vortag überschritten haben.

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Blick zurück zum Thorong-La.

Rund zweieinhalb Stunden später erreichen wir das Bett des Kali Gandaki, den Fluss, dessen Lauf wir mehrere Tage folgen werden. Wir sind hier in der tiefsten Schlucht der Welt, fünftausend Meter geht es auf beiden Seiten noch hinauf zu den Gipfel der Annapurna-Gruppe und rechts zum Dhaulagiri-Massiv.

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Kali Gandaki.

Zwei Stunden gehen wir nun flussabwärts, der Fluss führt relativ wenig Wasser, es geht aber umso mehr Wind. Diesen Abschnitt empfinden wir als ziemlich fad, und alle sind froh, als wir schließlich in Jomson ankommen. Hier gibt es einen kleinen Flugplatz, viele, die sich den Pass nicht antun wollen, fliegen hierher und gehen dann als kurzen Trek durch das Tal hinunter.

Hier ziehen dann zum ersten Mal auch Regenwolken auf, Basu meint, dass sich das Wetter ändern könnte, es wäre schon an der Zeit für den Wintermonsun. Insgeheim hoffen wir alle, dass es noch ein paar Tage schön ist, wir sind zwar gut ausgerüstet, aber im Regen tagelang zu marschieren, ist nicht das größte Vergnügen.

Eine Stunde haben wir heute noch zu gehen, teilweise auf einer Straße, teilweise im Flussbett, dann erreichen wir das Etappenziel Marpha. Am Abend erzählt uns Jörg, ein Bayer, dass er vor fünf Jahren schon hier gewesen ist. Damals gab es hier weder Strom noch Straße. Auch hier geht die Entwicklung weiter und Basu glaubt, dass es aber dadurch den Annapurna-Trek in der jetzigen Form nicht mehr lange geben wird. Ein zweischneidiges Schwert: die heimische Bevölkerung ist natürlich sehr froh über den Fortschritt, den Straße und Strom bringen, der Tourismus ist hier wohl die größte Einnahmequelle. Werden die Touristen aber noch kommen, wenn die Straße fertig ist? Oder wird sich die Masse nicht anderen, unberührteren Zielen zuwenden, wo man nicht neben Fahrzeugen auf einer Straße marschieren muss?

Am nächsten Tag ist das Wetter wieder schön, und es geht weiter im Flussbett: zuerst relativ monoton und fad und trotzdem hält eben dieser Abschnitt den wohl beeindruckensten Ausblick der gesamten Runde bereit, wir gehen nämlich genau unterm Dhaulagiri vorbei.

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Dhaulagiri.

Fantastische Anblicke bieten sich uns, ein spitzer Vorgipfel, dann ein langer Grat, der zum Hauptgipfel auf 8167 m führt. Darunter ein riesiger Gletscher und genau unter diesem stehen wir. Die Fotoapparate laufen heiß. Von dieser Seite kann der Berg nicht bestiegen werden.

Unser Weg führt uns noch weiter bis ins heutige Etappenziel, Kalopani auf 2530 m. Alle sind wir müde, die Etappen sind länger als auf der anderen Seite des Passes und das Gehen im Flussbett ist anstrengend.

Und in Kalopani sehen wir nun auch, was wir bis jetzt nicht gesehen haben, was aber unserer Tour ihren Namen gibt: den 8091 m hohen Annapurna I.

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Annapurna I.

Die Landschaft ändert sich in der Folge wieder, die Schlucht wird schmal und der Fluss rinnt tief unter unserem Weg, die Gegend wird noch einmal interessanter und abwechslungsreicher, und ganz ähnlich wie auf derselben Höhe auf der anderen Seite: zuerst Hochgebirge, dann gemäßigte Zone mit Apfelplantagen und dann wieder subtropisch mit Orangen und Bananen.

Langsam geht der Trek dem Ende entgegen, wir verlassen die hohen Berge, immer wieder versuche ich, nach hinten noch einen Blick auf die zurückliegenden Achttausender aufzuschnappen, irgendwann sind sie dann aber weg.

Unser Ziel, Beni, liegt noch zwei Tagesmärsche vor uns, und wir bewältigen sie, es gibt aber nichts Großartiges mehr zu berichten, irgendwie ist es, als ob durch das Verlassen der Hochgebirgszone auch ein bisschen die Lust zurückgeblieben ist.

Ein bisschen wehmütig kommen wir immer mehr zurück in die Zivilisation, es fahren wieder Autos, es sind wieder viele Menschen auf den Straßen unterwegs und es wird lauter.

Und schließlich sind wir dann in Beni, am Endpunkt unseres Treks auf 800 m Höhe. Einfach so.

Ein paar Tage sind wir jetzt noch in Nepal. Zuerst bringt uns eine abenteuerliche Jeep-Fahrt von Beni nach Pokhara. Hier trennen sich die Wege von uns und unseren drei nepalesischen Freunden Ganesh, Krishna und Basu. Ein merkwürdiges Gefühl, die Wahrscheinlichkeit, diese drei Menschen, mit denen wir einen kurzen, intensiven Teil unseres Lebens gegangen sind, wiederzusehen, ist nicht groß.

Wir bleiben zwei Tage in Pokhara, einer kleinen, an einem See gelegenen Stadt. In der Früh machen wir eine kurze Wanderung zu einem Aussichtspunkt, von wo sich Richtung Norden gesehen ein wirklich fantastischer Ausblick auf die gesamte Berggruppe bietet, die wir in den letzten Wochen umrundet haben.

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Blick von Pokhara Richtung Norden.

(c) Wolfgang

Wir fliegen zurück nach Kathmandu, ein letzter wunderbarer Blick bietet sich aus dem Flugzeug in die Berge des Himalaja.

Zwei Tage bleiben noch in Kathmandu, noch einmal ein bisschen Sightseeing, einkaufen (die niedrigen Preise sind doch zu verlockend), Hari lädt uns zu einem Abendessen ein, auch Basu hat es geschafft, daran teilzunehmen, er ist, eine Woche früher als erwartet, gestern zum ersten Mal Vater geworden und strahlt noch mehr als sonst.

Fazit

Grundsätzlich ist die Tour um die Annapurna-Gruppe natürlich spektakulär: Annapurna II, III, IV und Dhaulagiri zum Angreifen nah, tolle Ansichten von Annapurna I und Manaslu, Einblicke und Einsichten in Nepal und die Begegnung mit der nepalesische Bevölkerung.

Außerdem macht das Grazer Team von Weltweitwandern und das nepaleische Trekking Team LTD. einen hervorragenden Job, alles war perfekt organisiert, und alles hat ausgezeichnet funktioniert, da gibt es nichts zu kritisieren.

Für mich gibt es aber auch ein Aber: es sind zwar einige längere Etappen dabei, aber insgesamt war es mir von der Gehleistung doch nicht genug. Da man ja außer Gehen nichts zu tun hat und letztendlich auch nichts tun kann, sind Etappen um die fünf Stunden zu kurz, um den Tag auszufüllen. Auch die perfekte Durchorganisation hat für mich einen Haken: eigentlich sagt dir der Guide, wann du essen sollst, wo du schlafen wirst, wann du Pause machen sollst, was du anziehen sollst und wann du was auch immer machen sollst. Das Elementare bleibt einfach auf der Strecke! Und wir hatten da ja noch Glück, wir waren zu einer Zeit unterwegs, als sonst fast niemand unterwegs war. Ich möchte trotz der beeindruckenden Gegend nicht unterwegs sein, wenn neben mir noch 200 andere Trekker gehen.

Ich hätte es doch gern ein bisschen anders gehabt: ich kann mein Gepäck auch selber tragen (zumindest einen großen Teil :-), ich kann auch in einem Zelt schlafen, mich in einem Bach waschen, ich brauche auch keine Speisekarte zum Frühstück.

Die Entscheidung, das erste Mal nach Nepal mit einer organisierten Tour zu fahren, war grundsätzlich richtig, kann ich auch jedem empfehlen. Wenn ich jetzt noch einmal vor dieser Entscheidung stehen würde, würde ich es wieder machen, allerdings würde ich dann den schwereren Weg um den Manaslu wählen.

Viel gäbe es noch zu erzählen, über die Menschen, die wir gesehen haben, über ihre Lebensweise, über punktuelle Eindrücke, die wir gesammelt haben, über Gedanken, die wir uns gemacht haben. Regina meint, dieser mein Bericht gibt wieder, was ein Bergsteiger in Nepal sieht, vielleicht schreibt sie den Bericht, was eine Frau in Nepal sieht.

Epilog

Die Tour, die erst zwei Monate zurückliegt und trotzdem schon wieder ein bisschen in der Zeit verloren gegangen schien, ist durch das Schreiben dieses Textes wieder voll da. Was aber seither immer da ist, ist im Kopf: das Wissen, dass mein Körper - ich - Höhe verträgt, dass er wohl auch größere Höhen verträgt. Und die gibt es.


Graz, im Februar 2007. Alle Rechte vorbehalten.

Ich freue mich über Rückmeldungen.

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10.02.2007